Ob Reifen, Verpackungen, Treibstoffe oder Medikamente: Bei der Entwicklung und Optimierung von chemischen Produktionsprozessen ist die Maßstabsübertragung eine zentrale Herausforderung. Was im Reagenzglas funktioniert, muss noch lange nicht funktionieren, wenn man ein Produkt in industriellen Größenordnungen herstellen möchte. Viele zunächst aussichtsreich erscheinende Ansätze scheitern an dieser Hürde und finden nie den Weg aus dem Labor auf den Markt. Denn Verfahren, Anlagen, Materialrezepturen, Prozessparameter oder Methoden zur Qualitätskontrolle und Sicherheitsbewertung müssen entlang dieses komplexen Wegs vom Labor über Pilotanlagen bis zur Massenproduktion angepasst werden, was jeweils unvorhergesehene Effekte mit sich bringen kann.

Scale Up ist somit ein entscheidender Prozess in der Industrie: Bevor neue Anlagen gebaut, Verträge mit Lieferanten geschlossen oder Vertriebsstrukturen geschaffen werden, muss sichergestellt sein, dass ein Produkt sich in der gewünschten Qualität und Menge zu vernünftigen Kosten herstellen lässt. Die Maßstabsübertragung soll dies nachweisen, etwa für eine neue Materialrezeptur, ein angepasstes Herstellungsverfahren oder den Einsatz eines Werkstoffs für einen bisher nicht erprobten Anwendungsfall. Zugleich gilt es innerhalb dieses Prozesses, eine effiziente Nutzung der eingesetzten Rohstoffe und optimale Verarbeitungsverfahren sicherzustellen.

Die Fraunhofer-Pilotanlagen unterstützen die Industrie dabei. Neben der technischen Infrastruktur zum Scale Up gehört dazu auch die nötige Expertise für Materialien, Prozesstechnik und nicht zuletzt die Kommerzialisierung. Durch die Zusammenarbeit mit Fraunhofer und die Erprobung ihrer neuen Ansätze in den Pilotanlagen können Unternehmen ihr wirtschaftliches Risiko minimieren, den Markteintritt für neue Produkte beschleunigen und ihre Wettbewerbsposition stärken. Darüber hinaus können Mustermengen für die Anwendungsforschung oder Prozessdaten für Machbarkeitsstudien bereitgestellt werden.

 

Prinzip

Scale Up in der Industrie beinhaltet die Erhöhung der Produktionskapazität und -prozesse, um größere Mengen von Produkten herzustellen. Dieser wichtige Prozess ermöglicht es Unternehmen, Produkte vom Labor in die Massenproduktion zu bringen. Dadurch können das Unternehmenswachstum beschleunigt und neue Marktsegmente erschlossen werden. Die Skalierung hilft dabei, effizienter zu arbeiten, Kosten zu senken und gleichzeitig mehr Kunden zu erreichen.

 In der Chemieindustrie umfasst der Ablauf des Hochskalierens typischerweise folgende Schritte:

    • Zunächst wird das Produkt im Labor entwickelt und getestet. Es werden Prototypen oder kleine Materialmengen (Gramm) erstellt und verschiedene Tests durchgeführt, um die Produktfunktionalität und -qualität zu überprüfen.  (Labormaßstab)
    • Nach erfolgreichen Laborversuchen wird oft eine Pilotanlage eingerichtet. Hier wird das Produkt in einem kleineren Maßstab (Kilogramm) produziert, um den Produktionsprozess zu optimieren und etwaige Herausforderungen zu identifizieren. (Pilotmaßstab)
    • Anschließend erfolgt die Skalierung der Produktion, bei der die Produktionskapazität durch Investitionen in größere Anlagen erhöht wird, um größere Mengen (Tonnen) herzustellen. (Industriemaßstab)
    • Schließlich kommt das Produkt mit passenden Vertriebs- und Marketingmaßnahmen auf den Markt.

Während all dieser Schritte sind die nötige Qualitätskontrolle, die Optimierung von Produktionsprozessen und der effiziente Einsatz von Ressourcen entscheidend für ein erfolgreiches Scale Up. Nur so ist sichergestellt, dass das Produkt den festgelegten Qualitätsstandards entspricht und den Kundenanforderungen gerecht wird. Die dafür nötige technische Ausstattung und inhaltliche Kompetenz stellen die Fraunhofer-Pilotanlagen in Mitteldeutschland ihren Auftraggebern zur Verfügung.

Bedarf

Die Chemieindustrie befindet sich in einem Transformationsprozess, um eine zirkuläre und klimaneutrale Produktion zu erreichen. Gleichzeitig soll die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen reduziert werden. Die Transformation umfasst die Schwerpunkte Nachhaltigkeit, Digitalisierung, biobasierte Rohstoffe und Kreislaufwirtschaft. Dabei muss der Einsatz neuer Materialien und Herstellungsverfahren erprobt werden. Neue Methoden zur Qualitätsprüfung werden ebenso notwendig wie die Umsetzung neuer Stoffströme.

Bei der Transformation zur grünen Chemie müssen also viele etablierte Verfahren, die auf dem Einsatz fossiler Rohstoffe beruhen, für eine nachhaltige Produktion mit regenerativen Ressourcen neu gedacht und aufgesetzt werden. Dies erfordert erhebliche Investitionen in Forschung und Entwicklung und bringt auch einen erhöhten Bedarf für Scale Up neuer Prozesse mit sich. Durch die Zusammenarbeit mit den Fraunhofer-Pilotanlagen können Unternehmen ihr wirtschaftliches Risiko auf diesem Weg reduzieren und schneller zu marktfähigen Produkten auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen kommen.